Der Karmeliterorden ist der einzige Orden, der keinen Gründer hat. Am Beginn seiner Geschichte steht nicht das Charisma eines einzelnen, sondern die Lebensgemeinschaft einer Gruppe. Es waren Kreuzfahrer und Palästinapilger, die sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts im Karmelgebirge zunächst als Einsiedler niederließen. Es zog sie weg vom Lärm und der Waffengewalt der Kreuzzüge in die Einsamkeit und Stille, um dort die leise Stimme Gottes hören und seine Wege entdecken zu können. Später schlossen sich diese Eremiten zu einer Gemeinschaft zusammen und prägten eine eigene Lebensweise aus, die sie sich von Albertus, dem Patriarchen von Jerusalem, als Regel niederschreiben ließen.
Albert, Patriarch von Jerusalem übergibt den Eremiten vom Berg Karmel die Regel.
(Gemälde von 1327-1328, Siena)
Im Propheten Elija, der nach alttestamentlicher Überlieferung fast zweitausend Jahre vor ihnen an denselben Ort gekommen war, fanden die Karmeliter ein Vorbild, nach dem sie ihr Leben gestalten konnten. Seine Erfahrung GOTT LEBT, UND ICH STEHE VOR SEINEM ANGESICHT (vgl. 1 Kön 17, 1) wurde zum Leitwort für den neuen Orden. Wie Elija wollten sie aus der Gegenwart des lebendigen Gottes leben, seinen Willen suchen und leidenschaftlich für ihn eintreten. Eine zweite, für ihren Lebensentwurf bedeutsame biblische Gestalt, entdeckten die Karmeliter in Maria, die ganz offen war für das Wort Gottes und es vorbehaltlos an sich geschehen ließ.
Im Laufe seiner Geschichte hat der Karmeliterorden, nicht zuletzt durch seine Heiligen (wie zum Beispiel Teresa von Avila, Johannes vom Kreuz, Thérèse von Lisieux, Edith Stein und Titus Brandsma) wichtige Beiträge für eine lebensfördernde christliche Spiritualität geleistet, die noch heute vielen Menschen Orientierung bieten. Auch in unserer Zeit lebt der Karmel, der inzwischen in der ganzen Welt verbreitet ist, aus dem für ihn so charakteristischen Zusammenspiel von Kontemplation und Aktion: dem „Stehen vor Gott", also der leidenschaftlichen Suche nach seiner liebevollen Gegenwart im konkreten Heute und dem Engagement für die Menschen, um sie aufmerksam zu machen auf die liebende und heilende Gegenwart Gottes in ihrem Leben.
Günter Benker O.Carm.
Am Ende des Jahrtausends - 800 Jahre nach seiner Gründung auf dem Berg Karmel - besteht der Orden (Brüder) aus 2200 Mitgliedern, aufgeteilt in 19 Provinzen, 2 Generalkommissariaten und 3 Generaldelegaturen.
In folgenden Ländern ist der Orden zu finden: Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Kanada, Kolumbien, Frankreich, Deutschland, Dominikanische Republik, Groß Britannien, Indien, Indonesien, Irland, Italien, Malta, Mexiko, Niederlande, Österreich, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Puerto Rico, Spanien, Tschechische Republik, Ukraine, USA, Venezuela, Kongo, Zimbabwe, Kamerun und Kenia.
Gründungen von Klöstern sind geplant in: Burkina Faso, Mozambique, Rumänien, Slowakei, Tansania, Trinidad und Vietnam.